Sonntag, 7. Juli 2013

(LONDON)DERRY


LONDONDERRY - Nicht nur durch die Stadtmauer, auf der man im Gegensatz zur ehemaligen Berliner Mauer rund um die Altstadt gehen kann, wird man an die ehemals geteilte Stadt Berlin erinnert. "RIAS Berlin - Eine freie Stimme der freien Welt" klingt nicht viel anders als "You are now entering FREE DERRY", oder?

Wenn man Bogside, das ist der hauptsächlich katholische Teil Derrys (die Engländer würden jetzt sagen "Londonderrys") betritt, kommen unverzüglich die Wandbilder der früheren Bürgerkriegsparteien, aber auch der heutigen Friedensgruppen, ins Blickfeld. Hier sind nicht nur Portraits der sogenannten irischen Märtyrer abgebildet, sondern auch die von Martin Luther King, Nelson Mandela oder Mother Teresa. Und dann die vielen vermummten Kämpfer, nicht zu erkennen durch ihre Gasmasken, in der Hand ein Gewehr, einen Abbruchhammer oder einen Molotowcocktail. Dass man in Bogside angekommen ist, erkennt man auch daran, dass hier kein "Union Jack" mehr weht, sondern fast nur noch Flaggen der Republik Irland. Woanders, beispielsweise in Siebenbürgen, würden ungarische Flaggen höchstens ein paar Stunden hängen, bevor die rumänische Polizei sie abnehmen und die Verursacher suchen würde. Hier in Derry/Londonderry ist das anders. Man ist schon froh, wenn niemand mehr wegen der protestantisch-katholischen Auseinandersetzungen zu Tode kommt. 

In dem Lokal, wo wir das Mittagessen einnehmen, gibt es feste Eintrittsregeln: "Keine Basecaps - keine Kleidung, die die politische Gesinnung oder die Lieblings-Sportmannschaft verraten - keine Lieder". Auf diese Weise versucht man, alle Bürger und Gäste auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Bar bzw. das Schnell-Restaurant sauber und intakt zu halten. Das Wesentliche? Nun, das sind wohl das Bier, der Whiskey und der Jägermeister (heute zwei Stück zum Preis von einem). Es wird offenbar viel getrunken in Irland, aber nicht öffentlich (an jeder Straßenecke weist ein Schild darauf hin, dass öffentlicher Alkoholkonsum bis zu 500 Pfund Strafe nach sich zieht; weniger häufig sind die Hinweise, dass das Wegwerfen von Abfall auf die Straße nur 75 Pfund kostet, was aber auch schon als Ergebnis ziemlich sauberer Straßen nach sich zieht).

Das Wimbleton-Finale wird per Public Viewing und in den Bars übertragen. Es birgt keine politischen Gefahren: Eine deutsche Spielerin verliert gegen eine Französin. Die Lage bleibt ruhig und entspannt. 

Derry ist eine Stadt mit Geschichte. Es erinnert an die "heiligen Städte" der Weltreligionen: Eine befestigte Altstadt auf einem Hügel, eine Geschichte der Teilung und des Konflikts, eine Geschichte der Vertreibung, der Wiederbesiedlung und der Belagerung. Unbedingt ist Derry einen Besuch wert! 









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